Garten-Lektionen #1: Getragen statt getrieben

Runde um Runde

Am Sonntag war Sylt-Wetter bei uns in Rheinhessen, so nenne ich es: Sonne, blauer Himmel mit ein paar weißen Wolken, nicht zu heiß, leichter Wind. Das beste Wetter, um im Pool gegen Abend ein paar Runden zu drehen. Es war traumhaft. Bei jeder Runde sah ich etwas anderes in unserem Garten: die frisch gepflanzte pinkfarbene Rose namens „Kiss me Kate“ am Staketenzaun, die halbhohen grünen Sträucher, die unseren „Grünen Raum“ rund um den mächtigen Kirschbaum einrahmen, die Bruchsteinmauer aus dem für die Region typischen hellen Sandstein, die Terrasse mit den großen Hortensienbüschen… Runde um Runde im blauen Wasser sah ich die verschiedenen Pflanzen in unserem Garten und freute mich. Ich war glücklich.

Ich schwimme meist etwa 45 Minuten. Mein Mann amüsiert sich immer, dass ich so stetig meine Runden ziehe, ganz regelmäßig immer im Kreis. Ich genieße, wie das Wasser mich erfrischt, und ich mag das Gleichmäßige. Außerdem ist es auch Sport für mich. Ich spiele sonst nur ab und zu Tischtennis und gehe mit dem Hund raus. Also: Ich liebe diese Art des Bewegens. Wenn das Wasser mindestens 24 Grad hat.

Erkenntnis aus dem Nichts

Am Sonntag ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich hatte überhaupt nicht mit einer Erkenntnis gerechnet, die mir bei meinem glücklichen Rundenziehen kommen würde. Aber so ist Gott. Er spricht öfter überraschend in Situationen hinein.

Plötzlich war, mitten beim Schwimmen, meine Aufmerksamkeit nicht mehr bei unserem Garten, sondern bei meinem Körper im Wasser. Ich spürte auf einmal, wie meine Arme arbeiteten, durchs Wasser pflügten, sich anstrengten, um den Körper vorwärts zu bringen. Ich wollte vorankommen, Strecke machen. Und wendete dafür Kraft auf. Ich tat etwas, damit ich die Zeit im Pool gut nutzte. Damit das Bewegen einen gesunden Effekt auf meinen Körper hatte. Damit das Schwimmen sinnvoll war.

Ein neues Erleben

Und dann geschah es. Auf einmal war etwas anders. Ich konnte mich von einem Moment zum anderen einfach dem Wasser überlassen, spüren, wie ich gehalten bin, wie die Strömung der Poolanlage mich sanft weiterträgt. Wie ich gar nicht viel machen muss, um zu schwimmen. Es überraschte mich, dass ich das früher noch nicht so erlebt hatte - wie wenig nötig ist, um im Wasser oben zu bleiben. „So wenig muss ich mit den Armen machen, mit den Beinen?“, dachte ich und war wirklich verwundert. Dann war es ja gar nicht schwer, sich in Notsituationen in Gewässern lange Zeit oben zu halten!

Nachdenklich genoss ich das neue Gefühl des Schwebens und Fast-gar nichts-Tuns im blauen Wasser. Spürte, wie das Wasser tatsächlich trug, wie es weich durch meine Finger glitt, meine Arme umspülte. Ein himmlisches Gefühl. Warum hatte ich das jetzt erst entdeckt?

Größer als ich

Dann kam mir der Gedanke, dass es bei Gott auch so ist. Ich muss nicht ein Pensum erfüllen, etwas abarbeiten. Mit Anstrengung. Ich kann mich stattdessen ihm anvertrauen. Ganz leicht, angenehm, weich. Getragen. Statt getrieben. Wie auf Wolken. Wie auf seinem Arm. Gehalten. Die Kraft wahrnehmen, die um mich herum ist. Und mich fallen lassen.

Ich werde in Zukunft anders meine Runden in unserem Pool drehen.

Und in meinem Leben.  

Karin Dölla-Höhfeld
www.doella-hoehfeld.de